Als Grundlage des christlichen Glaubens kommt der zweigeteilten, einen Bibel in allen Fragen theologischer Reflexion eine wichtige Rolle zu. Die wissenschaftliche Auslegung des Alten/Ersten Testaments und die Erforschung ihrer Grundlagen sind dabei in besonderer Weise Aufgaben der alttestamentlichen Bibelwissenschaft. Die Eigenart ihres Gegenstandes, „Heilige Schrift“ bzw. „Gotteswort in Menschenwort“ zu sein, bestimmt ihre Methoden. Das Alte/Erste Testament ist nicht irgendein Text, sondern im Kontext der christlichen Glaubens- und Interpretationsgemeinschaft Zeugnis der Offenbarung Gottes. Zugleich ist es ein historischer Text, dessen Bedeutung im Rückgriff auf die Welt, aus der er entstammt, besser zu verstehen ist.
Daraus folgt, dass die alttestamentliche Bibelforschung sich literaturwissenschaftlicher, historischer und theologischer Methoden bedient. Ihre Aufgabe ist es, die alttestamentliche Überlieferung in ihrer spezifischen Eigenart, Vielfalt und kanonischen Dialogizität wahrzunehmen und als kritische Instanz in den Diskurs der theologischen Disziplinen einzubringen.
Dies erfolgt nicht nur in einer binnentheologischen, sondern explizit auch in einer ökumenischen und interreligiösen Perspektive. Insofern die alttestamentliche Exegese die Sinnpotentiale der biblischen Texte unter Anwendung von diachronen und synchronen Methoden analysiert, ist sie gleichzeitig interdisziplinär ausgerichtet (Altorientalistik, Archäologie, Alte Geschichte, Genderforschung, Islamische Theologie, Jüdische Theologie, Literatur-, Sozial- und Kulturwissenschaften usw.).
Im Kontext des Theologiestudiums ist das Studium des Alten/Ersten Testaments mehr als die Auslegung „alter“ Texte. Es geht darum, in und durch die biblische Überlieferung geschichtliche Formen gläubigen Daseins in all ihren Facetten kennen und analysieren zu lernen. So kommt auch die gegenwärtige Funktion Biblischer Theologie zum Tragen: Die Exegese des Alten/Ersten Testaments macht Traditionen und Zeugnisse des (jüdischen und) christlichen Glaubens im gegenwärtigen Lebensumfeld erinnerlich und eröffnet die Möglichkeit, darin Fragen unserer heutigen pluralen und multikulturellen Gesellschaft zu erkennen – ohne dabei Lösungen im 1:1-Format zu bieten.
Institut für Alttestamentliche Bibelwissenschaft
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